Das Imperium schlägt zurück - nachdem die esa mehr oder weniger erfolgreich auf dem Asteroiden Rosetta gelandet ist, hat sich die NASA nun das bislang entfernteste Objekt im Sonnensystem vorgenommen: den Zwergplaneten Pluto.

Es ist zwar keine Landung geplant, aber ein naher Vorbeiflug in weniger als 9.600 km Entfernung soll viele offene Fragen klären. Die Mission New Horizons ist dafür bereits vor 9 Jahren (am 19. Januar 2006) gestartet (damals war Pluto noch vollwertiges Mitglied am Planetenstammtisch). Eine Atlas-V-Trägerrakete hat die rund eine halbe Tonne schwere Sonde in der Form eines Klavierflügels mit bisheriger Rekordgeschwindigkeit von 58.536 km/h auf den Weg gebracht - nach einem Swingby am Jupiter beträgt die Geschwindigkeit sogar beeindruckende 80.000 km/h. Zum Vergleich: nach 9 Stunden hatte New Horizons den Mond passiert, die Apollo-Missionen benötigten dafür 3 Tage. Nach einem Jahr konnten bereits spannende Jupiterbilder erstellt, Wolkenbewegungen analysiert und die Magnetosphäre untersucht werden. Auf dem Jupitermond Io konnte sogar ein Vulkanausbruch dokumentiert werden. Weiterer Flugplan: 8. Juni 2008 Saturn, 18. März 2011 Uranus und 25. August 2014 Neptun. Dabei legte die Sonde jeweils ca. 10 Monate pro Jahr im Energiesparmodus, dem sog. Hibernation mode zurück. Seit Dezember 2014 ist sie nun ständig online - die heiße Phase hat begonnen.

Was wissen wir bislang über die eisige Welt am Rande des Sonnensystems?
Entdeckt wurde der Pluto 1930 von Clyde Tombaugh - zu Ehren des amerikanischen Astronomen reist ein Teil seiner Asche mit an Bord der Sonde. Da soll noch einer sagen, Astronomen wären nicht sentimental. Seinen Namen verdankt der Zwergplanet dem römischen Gott der Unterwelt, der sich unsichtbar machen konnte. Angeblich sollen auch die Initialen PL von Sir Percival Lowell eine Rolle gespielt haben. Lowell war amerikanischer Astronom (entstammte einer der reichsten Patrizierfamilien Bostons) und gründete das nach ihm benannte Observatorium, wo letztendlich der Nachweis gelang.
Pluto ist ein Drittel kleiner als unser Erdmond, seine Umlaufdauer beträgt 248 Jahre in einer mittleren Entfernung von 5,9 Mrd. km. Die gravitative Anziehung auf seiner Oberfläche beträgt 6 % der Erdanziehungskraft. Ein Plutotag dauert ca. 6 Erdtage und 9 Stunden. Vermutlich besitzt Pluto eine dünne Stickstoffatmosphäre (mit Kohlenmonoxyd und Methan) und eine Oberfläche aus Stickstoffeis und Methaneis. Durch die extrem elliptische Bahn (49,3 AU bzw. 7,4 Mrd. km bis 29,7 AU bzw. 4,4 Mrd. km) friert und taut die Oberfläche periodisch. Gerade ist Sommer auf Pluto mit kuscheligen 43 Grad... allerdings Kelvin, d.h. minus 230 Grad Celsius. Im Perihel ist Pluto sogar näher an der sonne als Neptun, seine Bahn ist allerdings stark gegen unsere Bahnebene geneigt, mit ca. 17 Grad.
Credit: NASA, ESA, A. Field (STScI)
Pluto ist stolzer Besitzer von 5 Monden, Nix, Styx, Hydra, Kerberos und Charon, wobei er mit Letzterem, der immerhin halb so groß ist und ein Achtel der Plutomasse aufweist, eine Art Doppelsystem bildet.
Eigentlich hätte bereits Voyager I in den späten 1980er Jahren an Pluto vorbeifliegen sollen, aber man entschied sich für den Saturnmond Titan. Später fiel ein Orbiter - ähnlich Cassini - den Budgetkürzungen zum Opfer. New Horizonts soll nun mit 700 Mio USD Projektkosten die Rätsel der eisigen Weiten des Sonnensystems lüften.
Die Sonde wurde dafür mit mehreren Kameras, Infrarot- und Ultravioletspektrometer ausgerüstet. Auch ein Staubdetektor und zwei Partikelsprektrometer sollen wertvolle Daten liefern. Ein Bißchen muss ich allerdings auf die Euphoriebremse treten: Bis wir allerdings an die hoffentlich spektakulären Bilder herankommen, dürften einige Monate vergehen. Das Signal ist zwar nur rund 4 Stunden unterwegs, die Datenübertragung mittels imposanter 2,1-Meter-Parabolantenne vollzieht sich aber nur mit einem Achtel Kilobyte pro Sekunde. Die maximale Auflösung von RALPH wird 250 m/Pixel betragen und LORRY könnte sogar 50 m/Pixel erreichen. Die bislang höchsten Auflösungen des Hubble-Weltraumteleskops zeigen 500 km/Pixel.
Die Sonde hat übrigens keinen eigenen Antrieb und ihre Energieversorgung wird durch einen Radioisotopengenerator sichergestellt. Seine 11 kg Plutonium setzten durch radioaktiven Zerfall Wärme frei, die in Strom umgewandelt wird.
Damit wird New Horizons auch nach dem Vorbeiflug an Pluto und Charon betriebsbereit bleiben und am Rande des Sonnensystems nach neuen eisigen Welten Ausschau halten. Diese Folgemission trägt den bezeichnenden Namen IceHunter.
John Spencer, wissenschaftlicher Mitarbeiter, meinte: "Wir wären überrascht, nicht überrascht zu werden." Na dann wünsche ich angenehme Überraschungen!
(Josef M. Gaßner, 23. Juni 2015)
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